Die Jagd im Ausland
Mit Glück, Kreativität und Geschick überlebt.
Während eines Erkundungsfluges in Alaska Mitte der 70er Jahre kommt es zum Absturz des Buschflugzeuges. Die Maschine überschlägt sich und bleibt auf den Tragflächen liegen. Durch die abrupte Abbremsung schießt ein Gegenstand vom hinteren Bereich der Kabine nach vorn zum Armaturenbrett, glücklicherweise genau zwischen den beiden Köpfen der Insassen. Es handelt sich um eine Batterie, die wohl nicht ordnungsgemäß befestigt war. Froh, diesen Aufschlag überlebt zu haben, kriechen Pilot und Hans Groß aus dem rechten Fenster der Maschine nach draußen, nur etwas anders als sie eingestiegen sind. Jetzt erfolgt als erstes die Schadensaufnahme, zunächst am eigenen Körper und dann am abgestürzten Buschflugzeug. Personenschäden, abgesehen von ein paar Prellungen, sind keine zu verzeichnen. Am Flugzeug ist der Propeller stark verbogen und die rechten Tragflächenverstrebungen sind abgeknickt.
Damit man verunglückte Flugzeuge in den unendlichen Weiten Nordamerikas orten kann, benutzt man sogenannte Funkbaken zur Kennzeichnung der Notposition. Anlass für die Entwicklung von Notfunkbaken war der Flugzeugabsturz zweier US-amerikanischer Kongressabgeordneter im Jahr 1972 in Alaska, die nie gefunden wurden. Als Reaktion darauf wurden Notfunkbaken für die Alarmierung auf 121,5 MHz, die Notfrequenz des Flugverkehrs, entwickelt und für alle amerikanischen Flugzeuge verbindlich vorgeschrieben. Ende der 1970er Jahre führten die Länder USA, Kanada und Frankreich das zuverlässigere satellitengestützte SARSAT-System ein. Heute liegt die Notfrequenz weltweit bei 406 MHz. Mit so einem batteriebetriebenen Funkgerät –Emergency Position-Indicating RadioBeacon (EPIRB)- ist auch der Pilot des Buschflugzeuges meines Vaters ausgerüstet. Die Hoffnung, dass selbst Verkehrsmaschinen den automatischen Notruf empfangen können und die Position ihres verunglückten Flugzeuges den Rettungsstationen durchgeben, wird jäh zerstört, als sie feststellen, dass die Batterien des Notfunkgerätes erschöpft sind. Und plötzlich befinden sie sich in der gleichen Situation wie die vermissten Kongressabgeordneten im Jahr 1972, die nie gefunden wurden, nur dieses Mal wegen einer entladenen Batterie. Gerade unerfahrene Fluggäste sollten sehr darauf achten und sich vorher genau erkundigen, welchem Buschpiloten sie ihr Leben anvertrauen.
So kann das Flugzeug nicht mehr benutzt werden, und keiner wird nach ihnen suchen, das ist fast mehr als die berühmte Nadel im Heuhaufen. Jetzt ist guter Rat überlebenswichtig! Die Dämmerung setzt ein, und ein scharfer, kalter Wind weht erste Schneeschauer aus westlicher Richtung zur Absturzstelle. Mit einer Überlebensfolie und anderen Utensilien errichten sie im wahrsten Sinne des Wortes ein notdürftiges Nachtlager. Ein kleines entfachtes Feuer lindert kaum die eisige Kälte. Sie finden im Flugzeug eine Axt, einen Satz Schraubenschlüsseln und ein langes Seil. Während der langen Nacht überlegen die beiden, wie sie mit diesen wenigen Teilen die Maschine wieder startklar machen können.
Ihr Plan sieht folgendermaßen aus: Sie schrauben mit dem passenden Schlüssel den Propeller ab, und klopfen diesen mit der Axt wieder in die richtige Form. Danach hacken sie mit dem Beil ein Loch in den Permafrostboden bis dieses die Abmessungen des Motorblocks hat. Teil zwei des Plans sieht vor, das lange Seil an der Maschine zu befestigen und mit diesem das Flugzeug nach vorn zu ziehen, bis dessen „Nase“ in das Bodenloch abtaucht. Ziehen die beiden jetzt weiter an dem Seil, so können sie das Flugzeug über die vordere Kante der Tragflächen drehen. Das hat wirklich funktioniert! Doch kaum steht die Maschine wieder auf „eigenen Füßen“, greift der starke Wind an, und sie können das Flugzeug nur mit großer Mühe und vereinten Kräften festhalten. Im unteren Bild sieht man, wie weit sich das Flugzeug vom Loch entfernt hat. In einem windberuhigten Moment schrauben sie den Propeller wieder an und schienen die abgeknickten Tragflächenverstrebungen mit Ästen und Stücken des bisher verwendeten Seils.
„Ready for Boarding“
Interessant und mystisch zugleich ist die Begebenheit, dass seine Frau Irmgard Groß in dieser Nacht zuhause im Forsthaus Landshube von diesem Flugzeugabsturz ihres Mannes geträumt hat. Sie erzählte es gleich am nächsten Morgen ihrer Schwester, die im Schlafzimmer meiner Eltern mit ihr übernachtete, während Hans Groß sich in Alaska aufhielt. Es gibt immer wieder Dinge, die wir nicht erklären können.
Neben seinen jagdlichen Aktivitäten im eigenen Forstrevier, beschäftigt sich Hans Groß mit dem Habitus bestimmter Wildarten in außereuropäischen Ländern. Seine Nachforschungen und Reisen in diese Länder machen ihn im Laufe der Zeit zu einem Fachmann für die Hege und Jagd bestimmter Tierarten. So kommuniziert er seine Erfahrungen und Entdeckungen über diverse Fachzeitschriften, Vorträge und persönliche Gespräche mit mehr oder weniger erfahrenen, interessierten Jägern. Seine erste Reise unternimmt er Mitte der 70er Jahre nach Alaska. Es folgen zahlreiche weitere Besuche in dieses faszinierende Land, die nicht zuletzt über die vielen Kontakte zu den Menschen dieser Regionen zustande kommen. So erhält Hans Groß in den 80er Jahren eine offizielle Einladung nach Pakistan, da er als Spezialist für eine bestimmte Art von Wildschafen gilt.
In Alaska berichtet er über die Notwendigkeit, Braunbären (Ursus Arctos) gezielt zu bejagen, da er während seiner Beobachtungen vor Ort feststellen musste, dass es zu einem starken Anstieg der Bärenpopulation gekommen ist. Als Folge stellt sich ein Kannibalismus unter den Tieren ein, d.h. stärkere Bären töten jüngere und schwächere Artgenossen. Dies wird in den 80er Jahren von einheimischen Jägern und Outfittern bestätigt. So kommt es durch die kontrollierte Dezimierung einer Wildart zu einer Synthese zwischen Jagdpassion und Artenschutz. Jäger aus dem Ausland („Aliens Non Resident“) dürfen nur alle vier Jahre einen Bär erlegen. Die strengen Jagdgesetze schreiben auch vor, dass sie von lizenzierten Jagdführern (Guides) begleitet werden müssen.
Das Haupttransportmittel für die Weiten Nordamerikas ist meist ein einmotoriges Buschflugzeug, oft die Piper Super Cub mit Tundrabereifung und Schwimmer. Die geschickten Buschpiloten sind in vielen Fällen auch offizielle Guides in einer Person und bringen es fertig, diese Maschinen auf einer Wasseroberfläche oder auf sehr unwegsamem Gelände zu landen und zu starten. Sichtet man während eines Erkundungsfluges jagdbares Wild, so wird ein geeigneter Landeplatz gesucht. Hier verbringen Guide und Jagdgast einige Tage in einem Camp oder in einem einfachen Zelt mit der nötigen Verpflegung. In Alaska verbietet das „Same Day Airborne-Gesetz“ die Jagdausübung am Tag, an dem geflogen wird. Erst am folgenden Tag beginnt die Pirsch. So hat auch das Wild eine faire Chance und der Jäger muss sich nach oft stundenlangem Beobachten der unendlichen Weiten der Landschaft durch strapazierende Fußmärsche dem Wild nähern, welches ja auch nicht an einem Fleck verweilt. Jagen in Alaska ist wirklich sehr anstrengend! Eine gute Kondition ist vorteilhaft! Immer wieder lässt sich Hans Groß vom Outfitter auch allein an Orten absetzen, wo er dann mehrere Tage verbringt, um Wild und Landschaft zu studieren. Nicht ganz ungefährlich wie mein Vater oft sagte: „Da draußen bist du einfach nur ein Teil der Nahrungskette.“.
Laut Gesetz muss in Alaska das verwertbare Wildbret ins Camp getragen werden, bevor die Trophäe abtransportiert werden darf. Braunbärenfleisch muss in Alaska nicht geborgen werden. Das Bild oben links zeigt, wie die Schädeldecke mit den schweren Elchschaufeln geschultert (European Mount) durch das extrem schwierige Gelände mühevoll zum Flugzeug getragen wird. Strenge Regeln sehen vor, dass der Guide unmittelbar an die erfolgreiche Jagd, die Jagdlizenz für diese Wildart entwertet.
Neben Kanada und Montana führen ihn seine Reisen auch nach Namibia. Gerade Süd- und Ostafrika ist berühmt für seine große Anzahl an Wildtieren. Um diesen Reichtum zu schützen, hat man schon sehr früh damit begonnen, Schutzgebiete einzurichten. Ich habe bereits 1982 in meinem Buch zum Thema „Wildschutzgebiete in Ostafrika“ auf die Wichtigkeit hingewiesen, einen Ausgleich für die miteinander konkurrierenden Landansprüche zwischen Menschen und Wildtieren zu schaffen und auf die Notwendigkeit, die rasant steigende Bevölkerung dieser Länder an Devisen zu beteiligen. (Detlef Groß, Nationalparks, Wildreservate und Kulturstätten in Ostafrika, Materialien zur Ostafrika-Forschung, Trier, 1982).
Der Parktourismus bringt vergleichsweise wenig Einnahmen, allerdings führt dieser auch zu einer Belastung der Ökosysteme der SchutzgebieteDurch ein striktes Jagdverbot konnte man noch nie eine bedrohte Tierart retten. Trotz der Schutzfunktion vieler Nationalparks kommt es immer noch zu illegalen Abschlachtungen geschützter Tiere, die zwangsläufig zur Ausrottung der Tierart führen werden. Die „Auslandsjagd“ ist eine durch strenge Gesetze regulierte, legale Jagdform, basierend auf Genehmigungen der lokalen und internationalen Behörden und dient dem Schutz der jagdbaren Tierarten. Diese Jagdlizenzen stützen sich weltweit auf unabhängige, wissenschaftliche Bewertungen der Nachhaltigkeit der Jagd. Für manche Menschen klingt das zunächst widersprüchlich, aber „wer jagen will muss erhalten“ und umgekehrt. Gerade in Ländern wie Afrika bietet der internationale „Jagdtourismus“ zumindest eine regional wirksame, finanzielle Alternative. Legal bewaffnete Jäger mit ihren ebenfalls waffentragenden Guides stören oft die Aktivitäten organisierter Wildererbanden und erhöhen somit deren Risiko entdeckt zu werden. Die Regulation des Wildbestandes muss sich den Raumforderungen der wachsenden, überwiegend landwirtschaftlich tätigen Bevölkerung anpassen. Im Idealfall sorgen Gesetze dafür, dass genügend Wild erhalten bleibt, der Bestand durch die bezahlte Jagd so reduziert wird, dass die Weide- und Ackerflächen der einheimischen Bevölkerung nicht zerstört werden, und diese eine finanzielle Unterstützung aus den hohen Jagdlizenzen erhalten.