Der Streit 2003

Über Jahrhunderte kommt es immer wieder zu Streitigkeiten bezüglich der Interessen der Bewohner und Besitzer der Landshube und den Bedürfnissen von Bürgern benachbarter Gemeinden, die mit mehr oder weniger langen Unterbrechungen bis in die Gegenwart reichen.

Bereits am 02.01.1604 berichtet ein Amtmann aus Montabaur über einen Streit, der sich im Herbst 1603 zwischen dem kurfürstlichen Hofmann der Landshube und Bürgern des wiedischen Dorfes Hilgert bezüglich der Weiderechte entfacht hat.

Obwohl es in den letzten 100 Jahren, abgesehen von einigen kleinen internen Meinungsverschiedenheiten, sehr ruhig war, kommt es exakt 400 Jahre später, im Jahr 2003, wieder zu einer Auseinandersetzung zwischen Teilen der Ransbach-Baumbacher Bevölkerung und der Forstverwaltung. Dieses Mal geht es um die Benutzung einiger alter Wege rund um die Landshube. Hierzu passt die Überschrift eines Leserbriefes in der Westerwälder Zeitung vom 02.05.2003: „Wie einst im Mittelalter“.

Der Anlass des Streits ist Bestandteil eines Gesamtkonzepts des Umweltministeriums Rheinland-Pfalz, bestehend aus Maßnahmen des Naturschutzes, speziell der Gewässerrenaturierung, des Wildschutzes und flankierend der Erholungsnutzung. Das Ziel der geplanten Aktionen ist es, in dem Waldgebiet um das Forsthaus Landshube einen Ausgleich der Ansprüche der Erholungssuchenden, des Wildes, des Naturschutzes und der Waldbesitzer herbeizuführen.

Abgesehen vom Entfernen des Landshuber Dammes und der Renaturierung des Weges oberhalb der Wiesen in westlicher Richtung im Jahr 1999, werden die restlichen Rückbaumaßnahmen seit Anfang April 2003 im Forstrevier Landshube umgesetzt.

Irmgard Groß auf dem verschneiten Weg entlang der westlichen Landshuber Weiden, 1980 (Foto Detlef Groß).
Die Reste des Dammes südlich des Forsthauses (Foto Harald Fuchs).
Der Weg entlang der Wiesen in westlicher Richtung (Foto Harald Fuchs).

Ein neuer befestigter Waldweg wird gebaut, der in halber Höhe der asphaltierten Straße zur Landshube in östliche Richtung abzweigt, an der Stelle, wo die Erdgasleitung die Straße kreuzt. Die Rodung folgt dem schon seit vielen Jahren existierenden „Rentnerpfad“. Baumbacher Rentner und Invaliden haben diesen Pfad durch den Fichtenbestand angelegt, um den Weg zum „Krummen Esel“ zu verkürzen und den steilen Landshuber Berg auf ihrem Rückweg zu umgehen.

Der „Rentnerpfad“ ist noch erkennbar (Foto H. Fuchs).
Bank und Tisch des neuen Weges (Foto H. Fuchs).
Neuer Weg trifft alten „Kastanienweg“ (Foto H. Fuchs).

Danach wird bekannt, dass die Forstverwaltung beabsichtigt, zwei weitere befestigte Wege durch Fräsen und Einsäen konzeptgetreu zu renaturieren. Obwohl ein neuer, alternativer Weg in östlicher Richtung vorhanden ist, ärgern sich viele ortsansässige Bürger, dass sie nun den beliebten „Kastanienweg“ nicht mehr nutzen können.

Der Weg entlang der Wiesen in östlicher Richtung (Foto H. Fuchs).
Einheimischen auch als „Kastanienweg“ bekannt (Foto H. Fuchs).
Der Weg nach der Renaturierung (Foto H. Fuchs).
Der „Kastanienweg“ im Winter 1986 (Foto Detlef Groß).

Der zweite betroffene Weg ist die direkte Verbindung zwischen dem Landshuber Parkplatz und den Landshuber Weihern, einer von drei wichtigen historischen Wegen rund um das Forsthaus. In einer Karte aus dem Jahr 1793 ist dieser als „Weg nach Ransbach“ eingezeichnet, und in der Karte von 1838 heißt es „Weg von Hillscheid und Höhr nach Baumbach“.

Drei historische Wege rund um die Landshube. Der Weg von Hillscheid nach Baumbach war der „Dammweg“.
Historischer Weg vom Landshuber Parkplatz zu den Weihern (Foto Detlef Groß).
Ein Erdwall vor dem renaturierten „Weiherweg“ (Foto H. Fuchs).
Renaturierter „Weiherweg“ hinter dem Erdwall (Foto H. Fuchs).
Gefräster Weg in Höhe des ersten Weihers (Foto H. Fuchs).

Nach spontanen Unterschriftensammlungen gegen die beabsichtigte Sperrung bzw. Auflösung des „Weiher-Weges“, eskaliert die Auseinandersetzung zwischen den Waldbesitzern und der inzwischen gegründeten „Interessengemeinschaft Landshube“ mit ihrer Kernforderung, den direkten Weg zu den Landshuber Weihern und den „Kastanienweg“ für die Öffentlichkeit begehbar zu lassen. Auf beiden Seiten kommt es zu Überreaktionen, sei es durch scharfformulierte, oft personenbezogene Kommentare seitens einiger Bürger in verschiedenen Medien, Veränderungen und Beseitigungen von Hinweisschildern, oder die Errichtung unübersehbarer Blockaden vor den bereits renaturierten Wegen durch die Waldbesitzer.

(Foto Harald Fuchs)
(Foto Harald Fuchs)
(Foto Harald Fuchs)

Die Themen des mittlerweile heftig geführten Konflikts werden von der Interessengemeinschaft über Landtagsabgeordnete der Landesregierung vorgetragen. Aufgrund vieler vermittelnder Gespräche, kommt es am 25.07.2003 im Rathaus zu Höhr-Grenzhausen zu einer Einigung. Der historische Weg zu den Landshuber Weihern und der beliebte „Kastanienweg“ werden wieder gangbar gemacht, allerdings  nicht mehr als offizielle Wanderwege gekennzeichnet.

Der als Gehweg wieder hergestellte „Kastanienweg“ (Fotos H. Fuchs).

Im Laufe der Zeit haben sich die Menschen an die Benutzung des alternativen Hauptweges gewöhnt, so dass der von der Forstverwaltung als Gehweg präparierte „Kastanienweg“ fast nicht mehr begangen wird. Die so oft zitierten Kastanien, die dem Weg den Namen gaben, interessieren wohl keinen mehr. Heute ist sozusagen wieder „Gras über die Sache gewachsen“, obwohl der befestigte Weg unter dem Bewuchs noch existiert. Leider wurden die Ergebnisse der Einigung damals schlecht kommuniziert, und viele Bürger sind heute noch der Ansicht, dass dieser Weg nicht gangbar ist, ja sogar verboten sei.

Ob sich der Ärger und alle Anstrengungen zur Verwirklichung überregionaler Ziele wirklich gelohnt haben, wage ich zumindest für einige Bereiche zu bezweifeln. Durch die Schaffung einer Ruhezone soll das heimische Rotwild in seinem täglichen Äsungsverhalten vor Störungen durch Spaziergänger, Reiter und Mountainbike-Fahrer geschützt werden. Gegen eine Beruhigung der Flächen rund um die Landshube ist sicher nichts einzuwenden! Allerdings haben wir während unserer 32-jährigen Wohnzeit auf der Landshube festgestellt, dass sich das Rotwild, bei entsprechend guten Äsungsangeboten, wozu auch eine gute Grasmischung und eine intensive Pflege und Düngung der Wiesen gehört, nicht von Spaziergängern stören lässt. Das zeigen die zahlreichen Fährten zur Winterfütterung und die große Anzahl äsender Stücke, die oft bei vollem Büchsenlicht auf die Flächen austraten.

links: zahlreiche Rotwildfährten mit Einstand im „Wiedischen“; rechts: an manchen Sommertagen äsen bis zu 100 Stück Rotwild bei Tageslicht.

Die Rückbaumaßnahmen des Landshuber Dammes im Jahr 1999 führten meines Erachtens nicht zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes der Talaue und des Weges, der diese durchquerte. Die Talmulde war über Jahrhunderte ein offenes, teilweise sumpfiges Weideland und kein aufgeforstetes, geschlossenes Waldgebiet. Allerdings kann der ursprüngliche, offene Charakter nur durch eine zumindest extensive landwirtschaftliche Nutzung erhalten werden, da sonst eine durch Naturverjüngung entstehende Bewaldung nicht zu verhindern ist. Der erwähnte Weg, vielen Baumbacher Bürgern auch als „Wallfahrtsweg“ bekannt, hat seine historische Bedeutung in der kürzesten Verbindung zwischen den Orten Hillscheid und Baumbach. Er kreuzt einen ebenfalls sehr alten, geschichtsträchtigen Weg, der Vallendar mit Wirges und Montabaur verbindet. Im Jahr 1402 wird dieser als „Wirgisch Weg“ und später in vielen Kartenwerken auch als „Alte Vallendarer Strasse“ bezeichnet.

Leider fehlt bis heute genau das Wegstück an der Stelle, wo einst der Damm entfernt wurde. Auch hier hätte ich mir gewünscht, dass dieser historische Weg in seiner ursprünglichen Wegführung wieder hergestellt worden wäre. Man hätte diesen ja nicht der Öffentlichkeit zugängig machen müssen!

Erwähnenswert ist noch, dass der Weg in der Karte von 1838 durch den Hof der Landshube verläuft, also zwischen Wohnhaus und Backesgebäude. Später wird dieser westlich des Backes an der Wiese entlang geleitet, was man bereits in der gezeichneten Karte aus dem Jahr 1851 erkennen kann.

1603 wollte der damalige Hofmann der Landshube die Streitigkeiten durch physische Einflussnahme regeln, wurde jedoch dafür von der Wiedischen Administration bestraft. 400 Jahre später versuchen die Betroffenen ihre unterschiedlichen Interessen, durch Inanspruchnahme vieler moderner Medien und unter Berufung ihrer Rechte, durchzusetzen. Zwar wurde hierbei keine körperliche Gewalt ausgeübt, jedoch lässt sich bei genauerer Betrachtung eine Parallele zum Ablauf von 1603 feststellen, da auch hier politische Einflussnahme erfolgte und Lokaltermine stattfanden: „…Der Graf von Wied besichtigt selbst an Ort und Stelle…“.

Es ist immer einfacher aus einer gewissen zeitlichen Distanz heraus objektiver über die Auseinandersetzungen im Jahr 2003 zu berichten, doch die Abläufe von Streitigkeiten verlaufen sehr oft nach dem gleichen Schema ab: Jeder hegt für sich eine positive Absicht, jeder hat es gut gemeint. So werden Konflikte mehr oder weniger schnell beigelegt, über kurz oder lang entstehen jedoch auch wieder neue Streitigkeiten. In vielen Fällen stellt sich allerdings später leider oftmals ein Gedanke ein – frei nach der Komödie von William Shakespeare:

„Much Ado About Nothing“ - „Viel Lärm um nichts“