Die Geschichte des Hofgutes und Forsthauses Landshube
„Ich schnitt in seine Rinde so manches liebe Wort ...“
heißt es in dem Lied „Am Brunnen vor dem Tore“ von Franz Schubert. Dieser bezieht sich auf einen Lindenbaum, der als Lebensspender für eine lange Beständigkeit der eingekerbten Liebesbeweise steht. Die Beständigkeit eines Baumes nutzte auch eine Gruppe von Menschen, die unfreiwillig in unsere Heimat kam, um ein Andenken an ihre Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in zwei Rotbuchen zu schnitzen. Es handelte sich um deutsche Kriegsgefangene, die wohl in Hilgert untergebracht waren und im Gebiet rund um das Forsthaus Landshube zur Räumung von Munition (meist Signalmunition) verpflichtet wurden.
In der Zeit zwischen dem 10. Juni 1947 und dem 1. August 1948 kam es unweigerlich auch zu Kontakten mit der einheimischen Bevölkerung, vorzugsweise weibliche Personen. Die Erinnerung an die sich daraus ergebenen, meist vorübergehenden Beziehungen, wurden von den jungen Männern anstelle einer Parkbank in zwei kräftige, beständige Buchen östlich der Landshube eingekerbt. Erstaunlich ist die Tatsache, dass diese kleinen „Kunstwerke“ auch nach 75 Jahren noch fast vollständig erhalten sind!
Zwei Rotbuchen erinnern als außergewöhnliche Denkmäler an deutsche Kriegsgefangene. Die Bäume befinden sich in unmittelbarer Nähe östlich des Forsthauses Landshube in den Staatswaldabteilungen 179 und 187.
Buche 1
Eine Buche, steht nahe der ehemaligen „Kiesgrube Götsch“, die ich willkürlich als „Buche1“ bezeichne. Schon aus einiger Entfernung erkennt man die Einkerbungen eines Textes. Im folgenden vergleiche ich immer wieder Bilder aus dem Jahr 2009 mit denen aus 2021. Auffallend dabei ist, dass sich die glatte Buchenrinde während dieser 12 Jahre, abgesehen von der üblichen Moosbildung, teilweise vom Wurzelansatz nach oben krustenartig verändert hat. Davon sind schon einige Eingravierungen im unteren Baumbereich betroffen. Diese gefurchten und schuppigen Rindenflächen werden im weiteren Verlauf der Zeit die Einkerbungen unwiderruflich überziehen. Selbst die innigsten Liebesbezeugungen sind nicht für die Ewigkeit!
Der Blick aus südlicher Richtung gibt folgende Einkerbungen frei: „Zum Andenken an das Kgf. Kdo 64/519 Hilgert vom 10.6.47 bis 1.8.48“. Die Abkürzungen „Kgf. Kdo“ stehen für „Kriegsgefangenen Komando“.
Die gegenüberliegende Stammseite enthält die eingravierten Initialen der Namen der beteiligten Kriegsgefangenen: „H.Sch., O.V., A.S., W.S., J.V., T.S., K.W., H.L.“. Die Abkürzung „H.L.“ steht für Hubert Langenbach, der sich nach dem Ende der Kriegsgefangenschaft in Wittgert niederließ, eine Familie gründete und bis zu seinem Tod im Jahr 2005 dort lebte (Reusch, Jürgen, „Zwei außergewöhnliche Denkmäler erinnern an Kriegsgefangene“, Jahrbuch des Westerwaldkreises „Wäller Heimat“, Montabaur, 2009, S. 87-88).
Die westliche Seite des ersten Baumes läßt in der Aufnahme aus dem Jahr 2009 unmißverständlich den Text „Auf Wiedersehen“ erkennen. Im Jahr 2021 mußte ich die Stelle sorgfältig von Moos und anderen Ablagerungen säubern, um die „Verabschiedung“ wieder lesen zu können.
Buche 2
„Buche2“ findet man auf halben Weg zum Naturdenkmal „Dicke Buche“ (an der A48) unmittelbar an der Gasleitung, die den Weg kreuzt.
Bewegt man sich aus südlicher Richtung näher zum Buchenstamm, so blickt man auf ein seitliches Männerportrait mit Hut und Pfeife. Vielleicht ein Hinweis auf die Hilgerter Pfeifenbäcker. Unterhalb des Männerkopfes sind folgende Eingravierungen zu lesen: „Kgf. Kdo 64/519 Hilgert vom 10.6.47 bis 1.8.48“, und darunter noch zu erkennen: „Wiedersehen“. Die Breite der eingeritzten Buchstaben hat sich analog des zunehmenden Stammumfangs in den letzten 75 Jahren vergrößert. Das betrifft auch die Linien der beiden Portraits.
Schaut man auf die Buche aus nördlicher Richtung, so entdeckt man die Seitenansicht eines Frauenkopfs mit vollem Haar und ausgeprägten Lippen. Unter dem mit einem Amorpfeil durchbohrten Herz steht der eingeschnitzte Text „Lebt wohl ihr Mädchen“. Die krustenartige, alles verdeckende Rindenveränderung reicht hier schon bis zum Kinn des Kopfes.
Links oberhalb des Frauenkopfes geben die Einkerbungen der Namensinitialen „H.S., A.S., T.S., H.S., W.S., O.V., J.V., K.W..“, wieder Hinweise auf die Beteiligten, allerdings in einer anderen Reihenfolge als bei Buche1.
Die westliche Ansicht des Baumes zeigt zwischen den beiden Portraits zwei Sprechblasen. Die größere geht von der Frau aus und enthält die Aufforderung „Bleib mir treu Otto!“. In einer sehr schmalen Sprechblase reagiert der Mann zurückhaltend mit einem Fragezeichen „?“.
Wechselt man auf die östliche Seite des Stammes, so entdeckt man den Grund, warum der Mann auf die Aufforderung der Frau, ihr treu zu bleiben, mit einem Fragezeichen reagierte: „Andere Städtchen – Andere Mädchen“.